Reduce, Reuse, Recycle: Bauen nach ökologischen Prinzipien

Trendstudie: Zukunftsfit Bauen und Wohnen, Ausgabe #6

Wenn umweltschädliches Bauen nicht nur die Umwelt zerstört, sondern durch CO2-Bepreisungen auch nicht mehr leistbar sein wird, sind Alternativen gefragt.

Das Wichtigste zusammengefasst

Was morgen sein wird, denken ökologische Bauweisen schon heute mit – Stichwort Resilienz – und schonen damit Ressourcen, Energie und Umwelt. Wenn umweltschädliches Bauen nicht nur die Umwelt zerstört, sondern durch CO2-Bepreisungen auch nicht mehr leistbar sein wird, sind Alternativen gefragt. Innovative Ansätze schaffen es, Emissionen nicht nur im Betrieb zu reduzieren, sondern auch in der Herstellung. Das Kreislaufprinzip wird nun auch in der Bauwirtschaft zum State of the Art – während für Immobilienbesitzer/-innen der Werterhalt eng mit Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit verknüpft ist. Die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 1.000 deutschen Immobilienbesitzer/-innen (Online, Januar 2022) zeigen:

  • Ökologische Bauweisen sind vor allem aufgrund der geringeren Betriebskosten attraktiv: Für 94 Prozent der Befragten ist das ein zentraler Grund, nachhaltig zu bauen. Gleich gefolgt von gesundheitlichen Faktoren: Diese empfinden 89 Prozent als wichtig.

  • Immobilienbesitzer/-innen sind bereit, für nachhaltige Immobilien mehr zu zahlen: 34 Prozent der Befragten würden Mehrkosten von bis zu 10 Prozent in Kauf nehmen. 33 Prozent würden sogar bis zu einem Viertel des Preises drauflegen.

  • Das Potenzial ist hoch: Viele finden umwelt- und klimafreundliche Maßnahmen gut, deutlich weniger haben schon welche umgesetzt.

Am Ende zählt, dass die ökologische Gesamtbilanz aus Errichtung und Betrieb stimmt. Es geht um Balance: Ein Kompromiss auf der einen Seite kann sich als Vorteil auf der anderen erweisen.

Strategie und Hintergründe

Reduzieren, Wiederverwenden, Aufbereiten

Ökologisch Bauen konzentriert sich heute nicht mehr bloß auf die Wahl naturnaher Baustoffe: Es beginnt mit der nutzenorientierten Planung und endet mit der Konzeption der Verwertung nach dem Ende des Lebenszyklus. Die Mehrkosten dafür halten sich entgegen der landläufigen Meinung in Grenzen: Bereits ab einem Plus von 10 Prozent ein nachhaltigeres Haus bauen.

Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft leitet den Bau an: Von smarter Planung (Refuse, Rethink und Reduce) über nachhaltige Wahl an Baustoffen (Reuse, Repurpose, Remanufacture) und Ausbauen im Bestand (Repair, Refurbish, Remanufacture) hin zu Recyclen von Baustoffen (Recycle, Recovery) – so werden Ressourcen in Nutzungs-kreisläufen gehalten. Kreislauffähige Architektur setzt außerdem auf sortenreine und trennbare Materialien, die sich ohne Wertverlust wiederverwerten lassen und bevorzugt vorhandene Rohstoffe: Lehm, der beim Aushub anfällt, wird so vom Bauschutt zum Baumaterial.

Tatsächliche Umwelt- und Klimafreundlichkeit zeigt sich erst in der Gesamtbilanz eines Hauses. Die Menge an „grauer Energie“, die für die Erstellung eines Gebäudes und all seiner Rohstoffe benötigt wird, addiert sich zum Energiebedarf im Betrieb. So können Gebäude, die zwar emissionsarm laufen, jedoch bereits in ihrer Herstellung ein Vielfaches an Emissionen produziert haben, vermieden werden.

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Den Wert von Abbruchgebäuden erkannt und daraus ein nachhaltiges Konzept gemacht hat die Wiener Initiative BauKarussell. „Social Urban Mining“ bringt Gebäudekomponenten in die Wiederverwendung und schafft Beschäftigung für Menschen, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind. In dem Leuchtturmprojekt MedUni Campus Mariannengasse konnten so im Auftrag der Bundesimmobiliengesellschaft aus den Bestandsgebäuden 60 Tonnen wiederverwendbare Bauteile gewonnen werden.– baukarussell.at (Fotocredit: Harald A. Jahn)

Darum sind „ökologische Prinzipien“ zukunftsfit

  • Klima- und umweltschonend: Wer umwelt- und klimaschonend baut, schont die Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen. Umwelt- und klimafreundliche Architektur verbraucht weniger problematische Rohstoffe, emittiert weniger Schadstoffe und verbaut weniger natürlichen Lebensraum.

  • Kostenschonend: Ökologisch sensible Architektur spart nicht nur Fläche, Material und Energie, sondern unter Betrachtung des gesamten Lebenszyklus auch Kosten.

  • Langlebig und leicht zu warten: Ökologische Bauweisen setzen auf Einfachheit in der Konstruktion und Instandhaltung. Die Lebenszyklen von Gebäuden werden durch flexible Systeme verlängert, was einen Abriss vermeiden kann. So werden auch in Zukunft Ressourcen gespart.

  • Höhere Wohnqualität: Wer ökologisch baut, genießt durch naturnahe Materialien und Bauweisen eine nachweislich höhere Wohn- und Lebensqualität.

  • Lebensraum für Flora und Fauna: Nachhaltiges Bauen ist mehr als Schadensbegrenzung – Gebäude können ihre Umgebung auch aufwerten. Mit durchdachten Konzepten können sogar Biotope in Städten entstehen.

Befragungsergebnisse

Ökologisch wohnen: attraktiv eingeschätzt, wenig umgesetzt

  • Als bestehendes umweltfreundliches Ausstattungsmerkmal werden mit 61 Prozent energiesparende Haushaltsgeräte am häufigsten genannt, gefolgt von optimierter Wärmedämmung und dichten Fenstern mit 59 Prozent und naturnaher Gartengestaltung mit 41 Prozent.

  • Bei einem Neuerwerb werden eine optimierte Wärmedämmung und dichte Fenster mit 93 Prozent am attraktivsten eingeschätzt, gefolgt von energiesparenden E-Geräten (91 Prozent), Nutzung von Solarenergie (86 Prozent) und einem Heizsystem mit erneuerbaren Energien (86 Prozent).

  • Besonders eklatant ist die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit bei der eigenen Energieerzeugung: 10 Prozent haben sie schon, 82 Prozent fänden sie bei einem Neuerwerb attraktiv.

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Ökologisch bauen – einem selbst zuliebe

  • Dass ökologisch Bauen auch geringere Kosten im Betrieb bedeutet, ist mit 94 Prozent das als am wichtigsten eingeschätzte Argument – 72 Prozent finden es sogar „sehr wichtig“. Es folgen gesundheitliche Faktoren (89 Prozent, davon 59 Prozentpunkte „sehr wichtig“) und eine besondere Wohnqualität (89 Prozent, davon 52 Prozentpunkte „sehr wichtig“).

  • Altruistische Argumente wie die Verantwortung gegenüber der Natur oder kommenden Generationen werden in Relation dazu weniger häufig als „sehr wichtig“ genannt.

  • Das Motiv des Werterhalts wird mit 73 Prozent am wenigsten wichtig eingeschätzt.

88 % der Frauen ist die Verantwortung gegenüber Natur und Umwelt wichtig. Unter Männern sind es 82 %.
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Ökologisch bauen: zu teuer?

  • Fast die Hälfte (48 Prozent) der Befragten sind der Überzeugung, dass eine umwelt- und klimafreundliche Immobilie beträchtliche Mehrkosten von über 25 Prozent nach sich zieht. Hingegen wären nur 9 Prozent der Befragten auch tatsächlich bereit, so viel mehr zu bezahlen.

  • Jede/-r Dritte wäre bereit, bis zu 10 Prozent mehr für eine umwelt- und klimafreundliche Immobilie zu bezahlen.

  • Ein weiteres Drittel der Befragten wäre bereit, bis zu 25 Prozent mehr für ein umwelt- und klimafreundliches Projekt zu bezahlen.

  • Expert/-innen der Branche gehen davon aus, dass ökologische Bauprojekte ab circa 10 Prozent Mehrkosten in der Errichtung möglich sind.

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Good Practices

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Fotocredit: ©Mogu srl.

 

Ökologische Baustoffe ganz innovativ

Der ökologische Bau ist angewiesen auf neue Ideen – und das auch im Bereich Baumaterial. Auf der Suche nach alternativen, lokal herstellbaren Baustoffen entstehen innovative Produkte.

Das italienische Designunternehmen Mogu hat mehrere Jahre lang mit biotechnologischen Verfahren geforscht und gearbeitet – und bietet nun die ersten Produkte auf Myzelbasis an, die auf dem Markt erhältlich sind. Die zentralen Player: Pilze.

Die Herstellung des neuartigen Materials basiert auf Abfällen aus der Agrar-Industrie, wie Hanf-, Flachs-, oder Mais-Rückständen. Diese werden mit Pilz-Myzelien versetzt und damit ein Prozess der Symbiose in Gang gesetzt.

Es entsteht ein neues Material, das belastbar, naturbelassen und verwertbar ist. Nach diesem Verfahren sind bisher Akkustik-Paneele und Bodenfliesen entstanden. – mogu.bio

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Fotocredit: ©Mogu srl.

Materialien vorübergehend kombinieren – um sie später wiederzuverwenden

Was heute gebaut wird, währt nicht für ewig. Konstrukteur/-innen wissen das – und arbeiten an innovativen Lösungen, um Gebäude-zyklen nachhaltig zu denken. Ein Ansatz ist das Kreislaufprinzip: Materialien werden hier so ausgewählt und verbaut, dass sie später erneut zum Einsatz kommen können. Entsorgungen und Neuan-schaffungen werden so reduziert – das spart eine Menge Energie.

RAU Architects haben das Kreislaufprinzip in Kooperation mit Ex Interiors in großem Stil angewandt: Das neue Headquarter der Triodos Bank im niederländischen Driebergen-Rijsenburg ist als Holzkonstruktion komplett demontierbar – und zwar bis auf die letzte der 165.312 verwendeten Schrauben. Für das mehrstöckige Gebäude hält ein eigens eingerichteter Materialpass alle eingesetzten Materialien genau fest. Das macht die Wiederverwendung am Ende der Lebensdauer einfacher. – rau.eu

Biophilie-Prinzip schafft Lebensraum für Mensch, Tier und Pflanzen

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Fotocredit: Nigel Young / Foster + Partners

Natürliches Licht, helle Räume und der Blick ins Grüne tun gut – wenn naturnahe Elemente in Gebäude Einzug halten, gelingt Entspannung in den eigenen vier Wänden oft leichter. Die Verbindung von Raum und Natur hat sich die biophile Architektur zum Leitziel gemacht. Eine Bauweise, die auch das Gesundheitswesen für sich entdeckt hat.

Die gemeinnützige Organisation Maggie’s bietet in ihren Zentren im Vereinigten Königreich Information und Unterstützung für Krebspatient/-innen an. Ihre Einrichtungen sollen Zufluchtsorte sein und sind Teil des Heilungsprozesses. Das britische Architekturbüro Foster+Partners hat die zentrale Rolle von Architektur in der Therapie erkannt und mit dem Maggie’s Manchester ein Gebäude geplant, das wohltuend wirkt. Bewusste Blickachsen, die in grüne Innenhöfe und auf gärtnerisch gestaltete Verandas führen, erzeugen eine angenehme Atmosphäre. Verglaste Dachelemente sorgen außerdem für ausgiebig Tageslicht im gesamten Gebäude. – fosterandpartners.com

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Fotocredit: Nigel Young / Foster + Partners

Expertentipps

„Je unkritischer und verliebter Leute an ein Gebäude rangehen, desto „Keeping it simple.“
Sina Engel
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Sina Engel ist Architektin und setzt unterschiedlichste Bauprojekte im Umland von Berlin um. (Fotocredit: Sina Engel)

  • Klein und flexibel planen: Viele planen mehr Platz ein, als sie tatsächlich brauchen. Die meisten bauen nur einmal im Leben. Da will man es schön und üppig haben. Oft bedenken Bauherren aber nicht, wie sich ihr Leben in den nächsten zehn, zwanzig, dreißig Jahren verändert und was sie wirklich brauchen. Hier sollte so geplant werden, dass auch andere Nutzungen möglich werden, zum Beispiel, um aus einer Wohneinheit zwei zu machen. Außerdem muss jeder Quadratmeter geheizt und instand gehalten werden. Hier kann man viel Energie und Kosten sparen.

  • Nichts verbauen, was man nicht versteht: Die Materialien eines alten Hauses – wie beispielsweise aus der Jahr-hundertwende – lassen sich nahezu vollständig wiederverwenden. Bei modernen Häusern hingegen werden viele Materialien verbaut, die letztendlich als Sondermüll entsorgt werden müssen. Man muss sich bei der Planung eine Mülltrennungsbox vorstellen. Je „sortenreiner“ die Baustoffe sind, je weniger Hybridmaterialien verwendet werden, umso besser. Es gilt, möglichst wenige Materialien zu verbauen, die in ihrer Herstellung sehr energieaufwendig (z. B. Beton) und nicht recyclingfähig sind. Auch bei der Haustechnik lässt sich viel sparen. Richtig geplant ist vieles davon gar nicht notwendig.

  • Einfache Tipps für mehr öko: Kompakte Architektur spart Heiz- und Energiekosten. Gut gedämmte Gebäude benötigen eine gute Durchlüftung. Moderne Fensterfalzlüfter vermeiden feuchte Raumluft bei null Stromkosten und Energieverlust. Dunkle bis schwarze Dächer tragen zur Überhitzung bei. Wer hellere Materialien wählt, hat dieses Problem nicht. Fensterbänke, Türen, Arbeitsplatten und Fußböden – all das kann einfach aus Holz sein und muss nicht aus Plastik oder beschichteten Materialien bestehen. Es bedarf aber oftmals einem größeren Pflegaufwand, den man bewusst in Kauf nehmen sollte.

Über diese Studie

Über die Trendstudie „Zukunftsfit Bauen und Wohnen“

Die eigene Wohnung, das eigene Haus – das ist der Lebenstraumvieler Menschen. Aber die Umstände ändern sich oft schneller als der erste Grundriss. Lebensplanung braucht Flexibilität. Jeder, der ein Haus baut oder eine Wohnung kauft, kennt das. Damit es uns gutgeht, sollten wir das neue Zuhause mit Rücksicht auf Umwelt und Gesellschaft bauen. Und schließlich sollen die eigenen vier Wände Freiheit bringen. Es gibt viele Punkte, auf die man achten muss.

Deshalb stellt der unabhängige Immobilienkreditvermittler Baufi24 im Rahmen der Trendstudie „Zukunftsfit Bauen und Wohnen“ in insgesamt sieben Ausgaben Trends, Bedürfnisse und Strategien für die Zukunft vor. Denn vorausschauend zu bauen und zu wohnen bedeutet eine höhere Lebensqualität für sich selbst und mehr Freude an den eigenen Entscheidungen. Zudem ist es nachhaltig für Gesellschaft und Umwelt. Einen Überblick über alle Studien finden Sie hier: Baufi24 Studien.

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