Entschädigung: Urteil zu Schrottimmobilien

Ein folgenreiches Urteil hat das Oberlandesgericht Dresden gesprochen (Urteil vom 28.06.2012, Az.: 9 U 1758/11). Nach dessen Auffassung hat der Erwerber einer sittenwidrig überteuerten Immobilie einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Bank, die ihm eine Vollfinanzierung für das Objekt gewährt hatte.
Der Hintergrund
Das Gericht musste bezüglich der Klage eines Kreditnehmers auf Schadensersatz gegen eine Bank entscheiden. Zwischen beiden Parteien bestand ein Kreditvertrag – für die Finanzierung einer Eigentumswohnung hatte die Bank dem Kunden ein Immobiliendarlehen über 100 Prozent des Kaufpreises gewährt. Letzterer hatte die Eigentumswohnung für 190.000 Euro angeboten bekommen und mithilfe des Darlehens erworben. Die Verkäuferin selbst kaufte die Wohnung zu einem Kaufpreis von 95.000 Euro erst kurz nach dem Zuschlag des Käufers– und erreichte somit die Verdoppelung ihres eingesetzten Kapitals. Als der Kreditnehmer keine Raten für das Darlehen mehr leistete, leitete die Bank Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein. Der Kunde verklagte das Kreditinstitut, weil er sich vom Vermittler über den Wert der Wohnung – dieser lag laut gerichtlich bestelltem Sachverständigem zum Zeitpunkt des Verkaufs lediglich bei 106.000 Euro – arglistig getäuscht sah. Da die Bank auch weitere Wohnungsverkäufe im selben Objekt und weitere Geschäfte der Verkäuferin finanziert habe, müsse sie sich das Fehlverhalten des Vermittlers zurechnen lassen.
Das Urteil
Das Gericht gab dem Kläger recht – die Bank sei wegen ihrer Aufklärungspflichtverletzung schadensersatzpflichtig. Aufgrund des erheblich überteuerten Kaufpreises in Relation zum Verkehrswert hätte die beklagte Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Klägers ausgehen müssen – eine ernsthafte Prüfung des Verkehrswerts sei aber nicht erfolgt. Zwar hatte die Bank die Vollfinanzierung unter den Vorbehalt eines positiven Besichtigungsergebnisses gestellt. Dies sei ein wesentlicher Teil der Beleihungswertprüfung und konnte vom Kläger als Beleg gedeutet werden, dass das Kreditinstitut den Kaufpreis für angemessen hielt. Bei ihrer Prüfung habe die Bank jedoch fahrlässig den tatsächlichen Verkehrswert des Objekts verkannt. Aufgrund der mit speziellen Risiken behafteten Vollfinanzierung hätte sie den Verkehrswert überprüfen müssen. Auf Sicherheit bedachte Kreditinstitute nehmen zudem vom Kaufpreis der Immobilie einen üblichen Abschlag von 20 Prozent vor. Da dies nicht geschehen sei und die zu finanzierende Wohnung zudem überteuert war, habe die Bank bewusst die Augen vor der sittenwidrigen Überteuerung verschlossen. Dies komme einer positiven Kenntnis der Sittenwidrigkeit gleich und somit sei die Bank schadensersatzpflichtig.
Das Oberlandesgericht Dresden führt mit seinem Urteil die Rechtssprechung bezüglich der Hinweispflicht der Banken fort. Bislang waren Gerichte von einer Pflicht zur Ausklärung gegenüber dem Kunden nur dann ausgegangen, wenn die Mitarbeiter der Bank, beispielsweise durch ein eigenes Verkehrswertgutachten, positiv Kenntnis über den sittenwidrig hohen Verkaufspreis gewonnen haben. Zudem ordnete das Gericht im vorliegenden Fall, aufgrund besonderer Umstände, die Überteuerung von 79 % dem Bereich der „nahezu doppelten Überteuerung“ und damit der Sittenwidrigkeit zu. Im Regelfall galt nach Auffassung der Gerichte bisher erst eine 90prozentige Überteuerung als „nahezu doppelte Überteuerung“.
Die Folgen
Die Entscheidung des Gerichts zum vorliegenden Fall kann Bedeutung für zahlreiche andere durch den Kauf von überteuerten sogenannten „Schrottimmobilien“ Geschädigte haben. Ihre Chancen auf einen Schadensersatzanspruch steigen, wenn sich der Auffassung des Dresdner Gerichts auch andere Oberlandesgerichte anschließen. Ein Anspruch auf Entschädigung aufgrund der verletzten Aufklärungspflicht der Bank ergibt sich aus dem Urteil dann, wenn die Wohnung tatsächlich sittenwidrig überteuert war und die Bank den Kaufpreis zu 100 Prozent finanziert hat.
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